Wohn­über­bauung ‹Sue & Til›

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Die grösste Wohnüberbauung der Schweiz aus Holz steht in Winterthur, ist sechs Geschosse hoch, 200 Meter lang und bietet vielfältigen Wohnraum in über 300 Wohnungen. Während sich der Holzbau gegen aussen hinter einer schlichten Aluminiumfassade verbirgt, wird er in den Wohnungen in Form der unbehandelten Holzdecken sichtbar.

Winterthur wächst und ist mit knapp 116 000 Einwohnerinnnen und Einwohnern gegenwärtig die sechstgrösste Stadt der Schweiz. Um der Nachfrage an Wohn­ und Arbeitsraum nachzukommen, nutzt die Stadt ihre Industriebrachen. Eine davon ist das Areal zwischen den Bahnhöfen Grüze und Oberwinterthur, wo Sulzer nordöstlich der Kernstadt ab 1907 neben dem Stammareal beim Bahnhof Winterthur einen Zweigbetrieb aufgebaut hatte, der nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der schweizweit grössten Industrieareale wurde. Heute ist die damals zentrale Verkehrsachse des Areals als Sulzerallee Teil des städtischen Strassennetzes, und das Gebiet selbst wandelt sich gerade zum Stadtteil Neuhegi. Basis für die Entwicklung ist ein Regelwerk, das der Zürcher Architekt Jean­Pierre Dürig 2002 für das Gebiet im Auftrag von Sulzer Immobilien entwickelte. 2011 übernahm Implenia das Areal. Seither erfolgt die Entwicklung gemeinsam mit den Flächen im Stadtzentrum. Der neuste Baustein ist die Wohnüberbauung Sue & Til. Sie belegt rund 18 000 m2 Fläche und ist aktuell der grösste Holzbau der Schweiz.

Ziel des Studienauftrags war laut Implenia ein ökologisches Baukonzept, verbunden mit einem vielfältigen Angebot für die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner. Ein Holzbau sollte es sein, der den Vorgaben der 2000­ Watt­Gesellschaft entspricht und sowohl Miet­ als auch Eigentumswohnungen anbietet. Die Antwort von Weberbrunner und Soppelsa Architekten war ein einziges, mäandrierendes Gebäude, das auf dem Regelwerk basierend den Arealgrenzen folgt. Durch die gezielt gesteuerte Abwicklung im Grundriss entstehen sowohl Plätze, die sich zwischen dem Bau und der angrenzenden Nachbarschaft aufspannen, als auch Höfe innerhalb des Areals. Das Gebäude selbst wirkt trotz seiner Grösse nicht übermächtig. Dies gelingt, indem die beiden obersten Geschosse partiell zurückspringen, wodurch eine Variation in der Höhe entsteht. Ein willkommener Nebeneffekt davon sind die zahlreichen, besonders gefragten Wohnungen mit Terrassen. Die schlicht gestaltete Lochfassade aus silbern eloxierten Aluminiumblechen unterstützt die Einheit des bis zu sechs Geschosse hohen Gebäudes. Umso vielfältiger ist das Spektrum der insgesamt 307 Wohnungen: Dieses reicht von 2½­ bis 5½­Zimmer­Dachwohnungen mit unterschiedlichen Grundrisskonzepten.

Der Innenausbau wiederum ist schlicht gehalten: Parkettböden, unbehandelte Holzdecken, weiss verputzte Wände und weisse Küchenfronten vermitteln einen hellen Raumeindruck. Bei Grossprojekten müssen Bauherrschaften mit Verzögerungen im Bauablauf rechnen. Nicht so bei Sue & Til: Ein halbes Jahr früher als geplant konnten die ersten Bewohnerinnen und Bewohner in ihre Wohnungen einziehen. Möglich wurde dies dank 250 000 vorfabrizierten Holzteilen: Bis zu zwölf Meter lange, fertig gedämmte Aussenwandelemente samt Fenstern sowie fixfertige Badezimmermodule beschleunigten den Bau. Auch die Trockenbauweise sparte Zeit: Holz muss nicht austrocknen. Eine Herausforderung war der Schallschutz zwischen den Wohnungen, zumal die klassische Holz­Beton­Verbunddecke keine Option war. Anstelle einer Betonschicht schlugen die Holzbauingenieure deshalb eine acht Zentimeter hohe Splittschüttung vor. Sie besteht aus einer Mischung von gebrochenen Steinkörnern mit einem elastischen Bindemittel. Sowohl die Laborprüfungen bei der Empa als auch Baumessungen ergaben hervorragende Werte.

Ein weiteres Ziel war eine Gebäudestruktur für einen möglichst einfachen horizontalen und vertikalen Lastabtrag, auch im Hinblick auf die geforderte Vielfalt der Grundrisslösungen. Dafür sollte die Kraft von einer Stütze auf die darunter stehende Stütze übertragen werden, ohne den dazwischen liegenden Träger zu belasten. Denn Holz ist längs zur Faser rund zehnmal tragfähiger als quer dazu. Grosse Gewichte auf Querholz können die Holzfasern zusammenquetschen und zu Setzungen führen, was bei grossen Holzbauten wie Sue & Til nicht passieren darf. Die Lösung war eine seitliche Aufdoppelung mit vertikalen Stahlprofilen auf beiden Seiten des Trägers, die auf eingeschlitzten Kopfplatten ruhen. Dank der Profile war es zudem einfacher, die Stützen während des Baus zu positionieren und zu montieren. Holz­Geschossdecken bestehen in der Regel aus drei Elementen: Deckensystem, Träger und Stützen. Bei den Deckensystemen ist die Auswahl gross, bei den Trägern jedoch klein. Reine Holzträger sind in der Regel zu mächtig. Stahlträger sind zwar niedriger, aber schwer, teuer und müssen gegen Feuer verkleidet werden. Beim Projekt Sue & Til haben die Holzbauingenieure Stahl und Holz in einem einzigen Träger kombiniert. Der Vorteil: Stahl versteift das Holz im Gebrauchsfall, und Holz schützt den Stahl im Brandfall. Zudem braucht der neue Träger wenig Stahl und ist trotzdem schlank.

Ein Test

Fakten und Daten zum Objekt

Name

Wohnüberbauung Sue & Til

Ort

Sulzer-­Allee 71–87, Ida­-Sträuli-­Strasse 39–49,
Else­-Züblin-­Strasse 66–78, 8404 Winterthur

Bauzeit

Januar 2016 bis September 2018

Anzahl Wohnungen

257 (Miete), 50 (Stockwerkeigentum), 9 Gewerbeeinheiten

Projektentwicklung, Bauherrschaft Eigentumswohnungen,
Totalunternehmer

Implenia, Dietlikon

Bauherrschaft Mietwohnungen

Allianz Suisse Immobilien AG, Wallisellen

Architektur

Weberbrunner Architekten AG, Zürich, und Soppelsa Architekten GmbH, Zürich

Bauleitung

Implenia Schweiz AG, Hochbau, Dietlikon

Holzbauingenieur

Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich

Holzbau

Implenia Schweiz AG, Holzbau, Rümlang

Investitionskosten

ca. CHF 180 Mio.

  • Fotos Beat Bühler, Zürich

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