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Maison Climat - Durch und durch nachhaltig
Mit dem «Maison Climat» sind in Biel 20 hochwertige Mietwohnungen in Gehdistanz zum Bahnhof entstanden. Der kompakte Holzbau im Minergie-A-Standard schafft darüber hinaus mit seinem ganzheitlichen Ansatz von Nachhaltigkeit auch einen Mehrwert für die unmittelbare Umgebung und das Quartier.
Das «Maison Climat» liegt auf einem Grundstück am Seelandweg im Madretschquartier und ist zu Fuss in zehn Minuten vom Bahnhof Biel gut erreichbar. Der Stadtteil, in dem das neue Mehrfamilienhaus liegt, ist bunt gemischt: Neben Wohngebäuden mit Umschwung gibt es Gewerbe- und Bürobauten, die Bausubstanz ist dabei unterschiedlich gut erhalten. Auch die beiden Mehrfamilienhäuser, welche das «Maison Climat» ersetzt, waren aufgrund eines Brandes baufällig und standen vorher leer. Für das rechteckige Grundstück, das auf der einen Längsseite an die stark befahrene Bahnlinie angrenzt, suchte die Bauherrschaft im Rahmen eines Studienauftrags eine architektonische Lösung in Holz, die bezüglich aller drei Dimensionen – Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt – nachhaltig ist. Ziel war ein zukunftsfähiges und klimagerechtes Projekt für eine vielfältige Bewohnerschaft. Die Berücksichtigung ökologischer und energetischer Kriterien spielte dabei ebenso eine Rolle wie die vorgegebene Holzbauweise, günstige Mietzinse und eine adäquate Rendite.
Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung
Die Entwurfsidee von Bürgi Schärer Architekten reagiert auf die vorgefundene stadträumliche Struktur und die Massstäblichkeit des Quartiers. Im Sinne einer inneren Siedlungsentwicklung ergänzt der viergeschossige Ersatzneubau mit drei Voll- und einem Mansardgeschoss das Bestehende. Als auf Nord-Süd ausgerichtete Zeile definiert das kompakte Volumen zum einen den Übergang zwischen unterschiedlichen Bauvolumen, zum anderen vermittelt er aber auch zwischen gewerblicher, kultureller und Wohnnutzung. Der Neubau wird damit zum Ankerpunkt einer künftigen Transformation des Quartiers. Das wird spürbar, wenn man um das Haus herumgeht: Trotz seiner Begrenztheit bietet der Aussenraum bereits jetzt – das Mehrfamilienhaus wurde im Februar 2022 bezogen – ganz verschiedene Aufenthaltsmöglichkeiten. Dem langgezogenen, rechteckigen Bau ist ein versiegelter Platz mit einem geschützten Bereich für 50 Velos und mit einem Besucherparkplatz vorgelagert. Der Unterstand, wo normalerweise die Velos stehen, eigne sich auch gut als Partybereich, erzählt der Bauherr – und auch der Tischtennistisch, der hier fix installiert ist, werde bereits rege genutzt.
Vielfalt im Aussenraum und hohe Wohnqualität
Auf der gegenüberliegenden, etwas tiefer liegenden Längsseite des Hauses wirkt der Aussenraum privater: Die den Erdgeschosswohnungen vorgelagerten, etwas erhöhten Aussenbereiche gehen über Betonstufen in den von der Hausgemeinschaft genutzten Aussenraum über. Hier gibt es sicker- und retentionsfähige Böden und eine naturnahe und standortgerechte Bepflanzung, die eine hohe Biodiversität ermöglicht. Sträucher und Bäume, die künftig Schatten spenden sollen, wechseln sich ab mit Tischgruppen und Stühlen, die zum Sitzen und Plaudern einladen. Und auch Spielgelegenheiten sind vorhanden. Die Fassade im Bereich der Balkone ist so gestaltet, dass sie sich von den Bewohnern und Bewohnerinnen mit der Zeit begrünen lässt.
Erschlossen ist das Gebäude über versetzt angeordnete, aussen liegende Treppenläufe, die den Laubengängen vorgelagert sind. Formal sehr schlicht, machen sie das Haus räumlich in der Vertikalen erlebbar. Die einzelnen Wohnungen sind von den Laubengängen aus erschlossen, die eine attraktive, halböffentliche Zone schaffen, was sich insbesondere im Mansardgeschoss auch räumlich zeigt: Die sichtbare Tragstruktur mutet zusammen mit der Raumhöhe fast ein wenig sakral an. Das Gebäude ist modular aufgebaut und umfasst 20 Wohnungen mit 2½bis 4½ Zimmern, je fünf Wohnungen pro Geschoss. Ein additives Rastersystem von 3,1 Meter strukturiert die Grundrisse und lässt gleichzeitig eine grosse Raumvielfalt zu. Raumhöhen von 2,8 Meter in den ersten drei Geschossen und von 3,3 Meter im Mansardgeschoss erzeugen trotz der eher klein geschnittenen Grundrisse eine hohe Wohnqualität. Für alle Wohnungen wurden Bad- und Küchenmodule baugleich vorgefertigt, wobei die Badmodule in statischer Hinsicht eine aussteifende Wirkung haben. Der hohe Vorfabrikationsgrad ermöglichte nicht nur eine kurze Bauzeit, sondern auch eine wirtschaftliche Bauweise.
Form, Material und Technik als Einheit
Die angestrebte Einfachheit, Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit in der Typologie und Konstruktion zeigt sich sowohl in der Formgebung und Materialisierung als auch im architektonischen Ausdruck. Die Aussenwände des auf einem Betonsockel errichteten vorfabrizierten Holzbaus sind mit einer mehrschichtigen Dämmung von 30 cm gefertigt, innen mit Gipsfaserplatten und aussen mit vorbewitterter Fichtenschalung verkleidet. Die Wände bestehen aus Brettschichtplatten respektive Holzelementen, die Decken aus unten sichtbaren Massivholzelementen. Die Treppen und Balkone sind in Metall ausgeführt, die Balkonplatten zusätzlich in Beton. Einspringende Elemente wie die Laubengänge und Loggien schaffen mit den in einem warmen Gelbton eingefärbten Wänden einen gestalterischen Kontrast zur vorvergrauten Fassade. Die Südfassade strukturieren die vorgelagerten Balkone und Aufenthaltsbereiche. Dazu kommt die PV-Anlage, die gestalterisch eingesetzt wurde und sich von Teilen der Südfassade über die Dachaufbauten respektive Loggien bis auf das Mansarddach zieht. Farblich stimmte man die vorvergraute Fassade, die dunkle Faserzementeindeckung der Mansarden und die PV-Module aufeinander ab. Die energetische Versorgung des nach Minergie-A zertifizierten Plusenergiehauses erfolgt zum einen über die PV-Anlage (total 74 kWp) sowie eine Erdwärmesonde. Die zehn Parkplätze in der Einstellhalle und der Besucherparkplatz sind für Elektrofahrzeuge ausgerüstet. Jede Wohnung funktioniert in technischer Hinsicht (Lüftung, Strom) als autonome Einheit.
Mehrwert in jeder Hinsicht
Mit dem Projekt suchten die Architekten nach einem Entwurf, der eine Balance zwischen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekten des nachhaltigen Bauens erreicht und damit Mehrwerte bezüglich Einfachheit und Suffizienz schafft. Auf städtebaulicher und architektonischer Ebene bedeutet dies konkret: Weniger Ressourcenverbrauch durch Transformation, kluge, jedoch eng geschnittene Grundrisse, die qualitativ hochstehenden Wohnraum bieten und doch deutlich unter dem durchschnittlichen schweizerischen Wohnflächenbedarf liegen. Die Holzbauweise nutzt zudem den natürlichen und nachwachsenden Baustoff effizient und trägt einen wichtigen Teil zur Klimaneutralität bei (409 Tonnen gespeichertes CO2). Einfachheit und Suffizienz bedeutet zudem weniger Energieverbrauch und weniger Bau- und Mietkosten. Das sorgt für einen Gewinn sowohl für die Bewohnenden – die Mieten liegen alle unter 2000 Schweizer Franken – als auch für die Bauherrschaft. Davon profitiert auch das Quartier und die Stadt mit einer gelebten Nachbarschaft und einer nachhaltigen Baukultur.
Name
«Maison Climat»
Ort
Seelandweg 17, 2503 Biel
Realisierung (Zeitraum)
Selektives Verfahren: 2019
Planung: Januar 2020 – April 2021
Ausführung: April 2021 – Februar 2022
Anzahl Wohnungen
20
Zertifizierung
Minergie-A
Schweizer Holz
Nachweis CO2-Institut Schweiz
Bauherrschaft
Jérôme Tschudi
Architektur
Bürgi Schärer Architekten AG, 3000 Bern 22,
www.bsarch.ch
Totalunternehmer
BEER HOLZHAUS, Ostermundigen
Holzbauingenieur/Brandschutz:
BauHolz Wenger, Längenbühl
Holzbau
Beer Holzbau, 3072 Ostermundigen
Fotos Damian Poffet, Bern
Der Artikel erschien ein erstes Mal im Energiefachbuch 2022.